Von Natur aus schwierig
Die Gastronomie und Hotellerie hat von Natur aus eine sehr schwierige Kostenstruktur mit übermäßig hoher Personal- und Kapitalintensität. Das stellt die Branche vor besondere Herausforderungen. Mit den durch die Covid-19 Pandemie gesetzten Maßnahmen gab es bereits bei der Wintersaison 2019/2020 einen Einbruch um knapp 20 Prozent. Noch härter trifft es die Touristiker wahrscheinlich in der Sommersaison - vor allem weil vieles unsicher ist und es schwerfällt, die Kosten zu reduzieren. Das bestätigt auch eine Umfrage der Österreichischen Hotelier-Vereinigung (ÖHV). Über die Hälfte der österreichischen Betriebe wird, trotz möglicher Öffnung ab dem 29. Mai 2020, geschlossen bleiben.
Auch in Vorarlberg sieht die Situation laut Recherchen der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" nicht anders aus. Am vergangenen Freitag öffneten vorwiegend die kleinen Hotel- und Pensionsbetriebe. Die großen Betriebe blieben mehrheitlich geschlossen und öffnen vermutlich erst Mitte Juni, wenn auch die Grenzen wieder aufgehen. So auch im Montafon, wo zu Pfingsten nur rund ein Drittel der gewerblichen Betriebe aufsperrte und mit einer Auslastung von 20 bis 30 Prozent gerechnet wurde. Auch in der südlichsten Vorarlberger Talschaft wird ein Vollbetrieb frühestens Mitte Juni erwartet.
Die Gründe liegen auf der Hand: zu hohe Kosten und zu wenig Buchungen! Dabei ist klar, dass kein Gast vorab bucht, wenn nicht sicher ist, ob er überhaupt anreisen darf und wie die Quarantäne-Bestimmungen aussehen, wenn er wieder zurück ins Heimatland fährt. Hier fehlt es eindeutig an Klarheit von Seiten der Bundesregierung.
Die ersten Insolvenzen in der Tourismusbranche hat es bereits gegeben, und bald wird jeder und jede von uns ein Unternehmen kennen, das an Corona gestorben ist. Die von der Bundesregierung versprochenen Hilfen für die Wirtschaft in Höhe von 38 Milliarden Euro, von denen bislang aber nicht einmal 1,5 Prozent ausbezahlt wurden, kommen bei den Betrieben und Gasthäusern schlichtweg nicht an. Ein Dschungel aus unklaren Verordnungen und Richtlinien machen es den Betrieben unmöglich auf längere Sicht zu planen.
NEOS Vorarlberg haben daher einen Sechs-Punkte-Plan erarbeitet, wie eine schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe für den Tourismus aussehen kann.
Sechs-Punkte-Plan für den Tourismus
Drei spezifische Forderungen für die Hotellerie und Gastronomie:
1. Verkürzung der Abschreibungsdauern in der Hotellerie von 40 Jahren auf 20 Jahre:
Seit 01.01.2016 sind betriebliche Gebäude über einen Zeitraum von 40 Jahren abzuschreiben. Diese Abschreibungsdauer entspricht bei vielen Investitionen in der Hotellerie und Gastronomie nicht der real möglichen wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Wir fordern eine Halbierung der Abschreibungsdauern auf 20 Jahre für alle gewerblich genutzten Gebäude in der Hotellerie und Gastronomie, um Investitionen in diesem Bereich zu fördern.
2. Übernahme der Tourismusbeiträge für 2020 durch das Land:
Wir fordern, dass die Tourismusbeiträge für das Jahr 2020 für alle Unternehmen vom Land getragen werden. Das ist eine direkte, unbürokratische und vor allem einfache Maßnahme, die direkt bei den betroffenen Betrieben ankommt.
Wesentlich dabei ist, dass die Gemeinden die Beiträge vom Land - idealerweise in Zusammenarbeit mit der Vorarlberger Wirtschaftskammer - ersetzt bekommen, um nicht die Gemeindefinanzen zusätzlich zu belasten. Die Millionen-Rücklagen der Wirtschaftskammer wären hier jedenfalls sinnvoll investiert.
3. Sofortige Aufhebung der Corona-Sperrstundenregelung:
Die Nachtwirtschaft hat lange genug unter den unklaren und teilweise überzogenen Maßnahmen gelitten. Der Virus nimmt seine „Arbeit“ nicht erst ab ab 1 Uhr in der Früh auf. Darum gilt für uns NEOS: wenn die Lokale alle anderen Vorschriften einhalten, spricht nichts gegen ein längeres Offenhalten.
Drei Forderungen für den Tourismus, aber auch alle anderen Unternehmen:
4. Ausweitung des Steuerzeitraums für alle Unternehmen für die Bilanzen der Jahre 2019 und 2020:
Sollten Unternehmen im Jahr 2019 einen steuerrelevanten Gewinn ausgewiesen haben, soll dieser mit etwaigen Verlusten aus dem Jahr 2020 gegenverrechnet werden können – quasi als umgekehrter Verlustvortrag.
5. Abschaffung des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag (Kammerumlage 2):
Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag wurde ursprünglich ‚temporär‘ eingeführt, um notleidende Unternehmen zu unterstützen. Mittlerweile nimmt die österreichische Wirtschaftskammer dadurch jährlich rund 350 Millionen Euro ein. Geld, das jetzt dringend in vielen Unternehmen gebraucht wird.
Wir fordern, dass die Kammerumlage 2 zumindest für die Jahre 2020 und 2021 ausgesetzt und den Unternehmen erlassen wird. Bei unglaublichen 1.4 Milliarden Euro an Rücklagen, sollte das kein Problem sein. Für die Unternehmen in Vorarlberg wären das immerhin rund 10 Millionen Euro, die sie sich jährlich ersparen würden.
6. Unternehmerische Freiheit erhöhen – Gewerbeordnung entrümpeln:
Die Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, als Unternehmer_in kreative Wege zu finden, um das Geschäft zumindest in Ansätzen weiterlaufen zu lassen und Arbeitsplätze zu sichern. Diese unternehmerischen Initiativen gehören mit einer unbürokratischen Gewerbeordnung unterstützt und nicht verhindert. Das gilt speziell auch für das Gastgewerbe. Unternehmen in der Tourismusbranche brauchen oft nicht nur einen, sondern gleich mehrere Gewerbescheine (Hotellerie, Gastronomie, Eventmanagement, etc.). Die Gewerbeordnung gehört dringend entrümpelt und ins 21. Jahrhundert geholt.
Geringe Hilfe durch Vorarlberger Härtefonds
Letzte Woche wurden in einem gemeinsamen Finanz- und Volkwirtschaftlichen Landtagausschuss die ersten finanziellen und wirtschaftlichen Abschätzungen zur Covid-19 Krise in Vorarlberg präsentiert. Erste Hochrechnungen zeigen, dass einnahmenseitig bis zu 100 Millionen Euro fehlen könnten. Auf der anderen Seite sollen ausgabenseitig aber bis zu 100 Millionen Euro in einen Vorarlberger Härtefonds fließen, um die schlimmsten Auswirkungen für die Menschen im Land abzufedern. Das verlautbarten zumindest Landeshauptmann Wallner und Wirtschaftslandesrat Tittler vor mittlerweile mehr als zwei Monaten. Seit dem ist es leise geworden um konkrete Hilfestellungen des Landes.
Der vom Land Vorarlberg und der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV)ins Leben gerufene Covid-Soforthilfefonds, der den Härtefallfonds des Bundes ergänzen sollte, ist jedenfalls bis jetzt fast wirkungslos geblieben. Lediglich in 45 Fällen erfolgte eine Auszahlung - in Summe nur rund 67.000 Euro. Das ist umso erstaunlicher, weil viele Unternehmerinnen und Unternehmer die geringen Auszahlungsbeträge des Bundes in der Phase Zwei des Härtefallfonds kritisieren.
Dabei stellt sich die Frage, wieso die ergänzende Hilfe von Land und WKV nicht in Anspruch genommen wurde. Hatte niemand Interesse? Ist die Antragsstellung zu kompliziert? Sind die Kriterien nur schwer zu erfüllen?
Ähnliches gilt für die Vergabe der angekündigten Mikrokredite. Auch hier gibt es mit nur etwas mehr als 100 Anträgen eine sehr geringe Nachfrage. Dabei würden gerade viele Tourismusbetriebe eine schnelle und unbürokratische Hilfe brauchen. Das ist ganz offenbar auch mit den Vorarlberger Hilfsmaßnahmen nicht gegeben. Und so fragen sich gerade viele Gastronomen: Wo bleiben die 100 Millionen?
Die Landesregierung ist gefordert, hier schnell für volle Transparenz zu sorgen, wer unter welchen Voraussetzungen Unterstützung bekommen kann. Die niedrigen Fallzahlen verdeutlichen, dass die Wirtschaftstreibenden bis heute nicht wissen, wie sie vom Land das oft „überlebensnotwendige“ Geld bekommen können.
Zeitgleich gilt es, dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitnehmerinnen und -nehmer, Wirtschaftstreibende, Kunstschaffende, Sportorganisationen und Familien gleichermaßen unterstützt werden. NEOS Vorarlberg haben bereits vor vier Wochen einen entsprechenden Antrag eingebracht – ohne Erfolg. Die so dringend notwendige direkte Behandlung in der letzten Landtagssitzung wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen verhindert. Eine schnelle und direkte Hilfe sieht anders aus!
Lösungen, die Zuversicht geben
Der Schaden für unsere Wirtschaft durch die Covid-19 Pandemie ist immens. Je nach Wirtschaftsforschungsinstitut bzw. Behörde wird von einem Wirtschaftseinbruch in Österreich von fünf – zehn Prozent des BIP ausgegangen. Dem gilt es, mit aller Macht entgegenzusteuern - durch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, aber auch arbeitsmarktwirksame Investitionen. Je mehr Arbeitsplätze gesichert werden, umso besser. Nur Menschen, die einen Job haben und Geld verdienen, können es sich leisten Essen zu gehen oder Urlaub zu machen.
Doch wie kann dieses Hochfahren der Wirtschaft gelingen? Welche Maßnahmen sind notwendig, um Arbeitsplätze zu sichern und Menschen, die jetzt schon von Arbeitslosigkeit betroffen sind, wieder in eine Anstellung zu bringen? Welche Rahmenbedingungen braucht unsere Wirtschaft, aber auch unsere Gesellschaft darüber hinaus?
- Regionales Programm mit wirtschaftswissenschaftlicher Expertise als Schwunggeber für die Wirtschaft: Unsere Forderung nach einem Expert_innenstab für das Hochfahren der Wirtschaft wurde bis heute nicht umgesetzt. Dabei wäre es essentiell, die wirtschaftlichen Akteure und Wissenschaftler_innen in die Erarbeitung der Maßnahmen mit einzubeziehen. Sie wissen am Besten, was in ihrem konkreten Bereich notwendig ist, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern bzw. neu zu generieren.
- Breitbandausbau als Basisinfrastrutkur jetzt vorantreiben: Wir kommen digitaler aus der Krise, als wir hineingekommen sind. Das betrifft alle Unternehmensformen vom EPU bis zu Großunternehmen und unabhängig vom Standort. Österreich ist Schlusslicht beim Glasfaserausbau in Europa. Gemäß neuester Daten[i], haben nur 1,9 Prozent der Haushalte einen direkten Anschluss an die Datenautobahn. In nördlichen Ländern wie Island, Schweden und Lettland aber auch Spanien sind es über 50 Prozent. Niederösterreich hat diese Herausforderung erkannt und ein Investitionsprogramm über 100 Millionen Euro angekündigt.
- Bildung & Kinderbetreuung: Der Leiter des AMS in Vorarlberg berichtete im letzten Landtagsausschuss, dass auch in der Covid-19 Krise jene Personen den Job zuerst oder vermehrt verloren haben, die geringer qualifiziert sind. Investitionen in die Bildung wirken somit derzeit doppelt. Einmal unmittelbar durch notwendige Infrastrukturverbesserungen, digitale Ausstattungen und Verbesserung des Lernangebotes und andererseits durch den höheren Bildungsgrad im Land. Zudem braucht es eine sinnvolle und bedarfsgerechte Kinderbetreuung, die die Eltern in den nächsten Monaten – und hoffentlich auch nachhaltig - unterstützt.
Europa – gemeinsam durch die Krise
Unsere Kapazitäten im Land, insbesondere im Tourismus und in der Gastronomie, sind auf offene Grenzen ausgerichtet. Unsere Unternehmen kennen keine nationalen Grenzen mehr – sie brauchen den europäischen Markt.
Die Vorarlberger Tourismuswirtschaft verzeichnet im Jahr rund zwei Milliarden Euro Umsatz und bietet (zu Vor-Corona-Zeiten) rund 13.000 Ganzjahresarbeitsplätze. Über 50 Prozent der Vorarlberg-Urlauber kommen aus Deutschland (54 Prozent) nur 17 Prozent aus Österreich, gefolgt von der Schweiz mit 12 Prozent und den Niederlanden mit 6 Prozent. In Summe kommen 83 Prozent der Gäste in unserem Land nicht aus Österreich. Es ist also klar, wieso viele Betriebe ohne offene Grenzen nicht öffnen.
Wir benötigen aber nicht nur offene physische Grenzen, welche für die ersten Nachbarstaaten glücklicherweise am 15. Juni 2020 wieder geöffnet werden sollen, sondern auch offene Grenzen in unsere Köpfen.
Die Isolationspolitik unserer Bundesregierung schadet unserem Standort, unseren Unternehmen und somit unseren Beschäftigten und Menschen in Vorarlberg. Ein Land wie Vorarlberg ist darauf angewiesen, dass der Binnenmarkt funktioniert. An gemeinsamen Wirtschaftshilfen, die mehr sind als nur Minimalkompromisse, führt kein Weg vorbei. Europa muss zusammenstehen. Wenn sich Österreich von der europäischen Idee wegbewegt, werden sich auch viele Gäste hier nicht mehr willkommen und wohl fühlen.
NEOS Vorarlberg fordern somit die Vorarlberger Landesregierung auf, klar Stellung zu beziehen und deutlich an die Bundesregierung zu appellieren, dass es jetzt gemeinsam mutige, ambitionierte Lösungen und Ideen für die Zukunft braucht. Europa muss zusammenstehen!