"Schaffa schaffa, Hüsle baua" galt als Mantra in Vorarlberg – arbeite brav, viel und hart, dann ergibt sich der Rest quasi von selbst. Arbeit war nicht nur Pflicht, sondern gleichfalls Quelle für Wohlstand, Wert und Würde des Menschen. Leider hat sich viel verändert! Junge Menschen und Familien drohen heute zu Modernisierungsverlierern in dem Sinne zu werden, dass sie „mit ihrer Hände Arbeit“ nicht mehr das erreichen können, was für ihre Eltern noch selbstverständlich war – Wohneigentum.
Zwei wesentliche Entwicklungen arbeiten dagegen, dass junge Menschen mit eigener Leistung dieses Aufstiegsversprechen einlösen können: die schleppende Einkommensentwicklung bei jungen Menschen und die exorbitant steigenden Wohnkosten.
Schon seit der Finanzkrise 2008 entwickeln sich die Einkommen in keiner Altersgruppe so schleppend wie bei den jungen Menschen im Land. Die Österreichische Akademie der Wissenschaft kommt sogar zum Schluss, dass die jungen Europäer:innen die Zeche der Wirtschaftskrisen zahlen. Während die Einkommen der 20- bis 39-Jährigen stagnieren, dürfen sich vor allem die Über-60-Jährigen über einen satten Anstieg der Durchschnittseinkommen freuen – diese Entwicklung macht hier vor Vorarlberg nicht Halt und ist längst im Mittelstand angekommen: laut einer SORA-Befragung verzeichnet im Zuge der Pandemie vor allem das mittlere und nicht nur das untere Einkommensdrittel Einkommenseinbußen.
Daneben wird Wohnen immer teurer. Während die Inflation zwischen 2010 und 2020 knapp 20% betrug, stiegen die Mietpreise pro Quadratmeter im selben Zeitraum um 45%. Die Berechnungen vom Thinktank "Agenda Austria" unterstreichen, dass diese Entwicklung in Vorarlberg besonders dramatisch ist: in keinem anderen Bundesland sind die Mietkosten pro Quadratmeter so hoch wie in hier! Genauso steigen die Immobilienpreise immer weiter – im ersten Quartal 2021 um 12,3%. Das muss man sich leisten können. Das Volumen der Wohnbaukredite hat sich binnen eines Jahres sogar um 37% erhöht. Schwierig wird es allerdings bei den Konditionen für Wohnkredite: aufgrund der Vorgaben der EZB braucht es in Zukunft nicht nur eine Eigenfinanzierungsquote von 20%, mit einem Höchstsatz von einer Rückzahlungsrate die 40% des Monatseinkommens nicht übersteigen und auf maximal 35 Jahre finanziert werden darf.
Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass 68 Prozent der Österreicher:innen nicht mehr daran glauben, durch eigene Leistung Eigentum erwerben zu können.
Zwei aktuelle Anfragebeantwortungen von Landesrat Marco Tittler zeigen sehr deutlich, dass die Maßnahmen der Vorarlberger Wohnbaupolitik zu wenig auf diese Entwicklungen Rücksicht nehmen! Die Vorarlberger Wohnbaupolitik gibt den jungen Vorarlberger:innen nicht das Aufstiegsversprechen, dass sie verdienen. Es bringt der großen Masse an jungen Vorarlberger:innen nicht mehr die Zuversicht auf Wohneigentum – wir NEOS wollen dieses Aufstiegsversprechen erneuern!
Den Weg zum Wohneigentum abkürzen – vier notwendige Schritte für die Zukunft
Die aufgezeigte Entwicklung zeigt, dass junge Menschen und Familien attraktivere und leistbarere Möglichkeiten zum Wohnen brauchen. Sie brauchen einerseits Unterstützungen, damit der Kauf des ersten eigenen Zuhauses nicht zum persönlichen finanziellen Fiasko mit Langzeitfolgen wird. Andererseits müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass bis zum Kauf der ersten eigenen Wohnung nicht unnötig viel Geld in einer Miete verpufft und die Chancen sich genug ansparen zu können noch geringer werden.
Hier ist nicht nur der Bund, sondern auch das Land Vorarlberg gefragt, um bestehende Möglichkeiten zu nutzen und neue zu schaffen, damit ein früher Eigentumserwerb, eine hohe Flexibilität bei Haushaltserweiterungen und finanzielle Sicherheit in den späten Lebensjahren wieder möglich werden.
- In der Wohnbauförderung erstmalige Käufer:innen ("First-Time Buyers") in den Fokus nehmen: Die Wohnbauförderung gehört gezielt auf erstmalige Käufer:innen – sogenannte 'First-Time Buyer' – ausgerichtet. Neben der Erhöhung des Bonus für die Hausstandsgründung braucht es eine angepasste Unterstützung für Kleinwohnungen, damit die Förderungen einen Anreiz für kleineres Wohnungseigentum zum Einstieg setzen. Da sich Wohnbedürfnisse im Verlauf des Lebens ändern, braucht es mehr Flexibilität: vorausgesetzt, man möchte in eine andere oder größere Wohnung ziehen, kann die Erstförderung nicht mitgenommen werden, weil der Kredit quasi auf der Wohnung liegt. Deshalb muss eine Fördermitnahme möglich werden – es braucht mehr Subjekt- statt Objektfinanzierung.
- Mietkaufmodelle flexibilisieren und an Lebensrealität anpassen: Die derzeitigen Mietkaufmodelle sind starr und zu wenig flexibel, zudem sind die Hürden für den späteren Kauf zu groß. Derzeit sind die Modelle so ausgelegt, dass nach mehrjähriger Mietdauer die Möglichkeit besteht, die Wohnung zu erwerben. Problem auch hier, die Kaufoption bleibt an der Wohnung hängen, nicht am Mieter. Wer also in eine kleine Wohnung einzieht und beispielsweise aufgrund der Familiengründung nach einigen Jahren mehr Platz benötigt, kann die Kaufoption (und die gegengerechnete Miete) nicht mitnehmen. Hier braucht es Lösungen innerhalb der gemeinnützigen Wohnbauträger, vor allem Modelle für den privaten Wohnungsmarkt.
- Zweckwidmung der Wohnbauförderung, um sozial ausgerichtete Wohnbautätigkeit sicherzustellen: Eine bekannte Forderung von uns NEOS, die angesichts der Entwicklungen aktueller denn je scheint. Neben den Wohnbauförderungsbeiträgen fließen jährlich Darlehensrückzahlungen und Zinserträge in den „Wohnbauförderungstopf“ retour, welche wiederum bei der Vergabe der Darlehen (zumindest weitgehend) ebenfalls aus Wohnbauförderungsbeiträgen finanziert wurden. Das Land Vorarlberg muss dafür Sorge tragen, dass die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel raschestmöglich in die Tat umgesetzt wird. Damit stellen wir sicher, dass auch diese Rückflüsse für die Wohnbautätigkeit verwendet werden.
- (Erst-)Erwerbskosten bzw. -Nebengebühren zielgerichtet reduzieren: Sei es die Grunderwerbssteuer, der Grundbucheintrag oder Treuhandschaftsverträge – in Österreich bringen die Nebenkosten und Gebühren eine enorme zusätzliche Belastung bei jedem Immobilienkauf mit sich. Die stark steigenden Immobilienpreise der letzten Jahre erhöhen auch diese Kosten. Blicke in andere Staaten (wie z.B. Neuseeland) zeigen, dass es nicht nur bürgernäher, sondern auch günstiger geht: im doppelt so großen Österreich liegen die Gebühreneinnahmen 21mal höher wie in Neuseeland. In einem ersten Schritt braucht es gerade für erstmalige Käufer:innen eine massive Reduktion dieser Nebengebühren. Ebenso betragen die Nebenkosten für Notare und Rechtsanwälte im Durchschnitt 1 bis 3 Prozent des Kaufpreises. Hier mehr Digitalisierung und Wettbewerb zu wagen, würde zusätzliche Einsparungen für Käufer:innen bringen.